Wer gerne eine Kampfkunstart trainieren möchte, aber findet, dass Karate zu hart ist, für den könnte Aikido die richtige Wahl sein. Bei diesem Kampfsport kommt es hauptsächlich darauf an, das richtige Fallen und Abrollen zu üben und Angriffe anderer abzuwehren. Dabei macht man sich meist deren Bewegung zunutze und leitet den Angriff einfach ab, sodass er völlig ungefährlich wird.
Durch sogenannte Hebel kann man den anderen im Anschluss ausschalten, und kann ihn durch raffiniertes Verdrehen von Armen und Händen unschädlich machen. Dabei ist Aikido nicht unbedingt darauf ausgelegt, selbst den Angriff zu trainieren. Mit dieser pazifistischen Einstellung einhergehend ist das Fehlen von Wettkämpfen.
Waldemar Thomanek, trägt seit 2015 den fünften Aikido-Schwarzgurt und unterrichtet in Karlsruhe Aikido und Iaido. Dort war der gebürtige Pole während des Studiums zum ersten Mal mit Aikido in Kontakt gekommen. Sein aktueller Lehrer ist Paul Müller, 7. Dan aus Strasbourg. Wir haben uns mit Herrn Thomanek getroffen, um mehr darüber zu erfahren, was ihn daran so fasziniert, was diesen Sport ausmacht und für wen er überhaupt geeignet ist.
Als Kind hat man damals sehr viel Zeit draußen verbracht. Es gab nicht so viel Fernsehen und schon gar nicht Handys oder Computerspiele.1973 kam der Film „Enter the Dragon“ mit Bruce Lee heraus. Das löste einen Boom bei den Kampfsportarten aus. Nachdem viele meiner Freunde mit Karate begonnen hatten, machte auch ich den Anfang mit Kyokushinkai-Karate. Von Aikido erfuhr ich zum ersten Mal aus einer polnischen Jugendzeitschrift, in der viele Kampfsportarten in Bilderserien vorgestellt wurden. Aikido faszinierte mich sofort, vor allem wegen der Kleidung, die Hakama genannt wird (traditionelle japanische Hose) und wegen der eleganten Rollen.
Es gibt kein Ziel, der Weg ist das Ziel. Man versucht immer, neue Bewegungen bzw. Zusammenhänge zwischen Bewegungen (Techniken) zu entdecken. Am Anfang lernt man einzelne Techniken (man teils alle in kleinste Teile auf), und nach Jahren versucht man, das alles als eins zu begreifen, als vollkommene Einheit.
Bei Aikido gibt es keine Wettkämpfe, deswegen kann man es sogar mit über 80 noch ausüben, und jeder kann es an seine eigene körperliche Verfassung anpassen. Als positive Effekte möchte ich außer auf die Verbesserung der motorischen Fähigkeiten, die Verbesserung der Konzentration, die Stärkung von Muskeln und Knochen auch noch auf das Auftreten von „unsichtbaren“ Leitlinien (Rhythmus aber nicht Routine) im Leben hinweisen, aber dazu muss man mit Herz und Hingabe üben.
Im Aikido gibt es Prüfungen wie in anderen Kampfsportarten auch. Ich halte vor der richtigen Prüfung einige Probeprüfungen ab, die in der Regel doppelt oder dreifach so lang sind, um den Leuten die Angst zu nehmen und um genau auf die Fehler einzugehen. Im Grunde genommen ist die eigentliche Prüfung danach nur noch eine Formalität.
Die geistige Haltung des Aikido bzw. Budo im allgemeinen oder wonach man streben sollte, wird am besten durch die 7 Falten des Hakama symbolisiert: Güte, Ehre/Gerechtigkeit, Höflichkeit/Etikette, Weisheit/Intelligenz, Aufrichtigkeit, Loyalität, Pietät.
Im Aikido tragen wir „ganz normale“ Judo-Kleidung. Wir tragen auch keine farbigen Gürtel nach den Prüfungen. Der einzige Unterschied ist das Tragen des Hakama ab dem 2. Kyu (zwei Prüfungsgrade unter dem Schwarzgurt) und des schwarzen Gürtels ab dem 1. Dan (erster Schwarzgurtgrad).
Ich verwende im Training Holzwaffen: Messer, Stock und Schwert. Sie dienen der Verdeutlichung der Bewegung (Technik).
Die Formen des Iaido, die ich nach Nishio Sensei (*1927–†2005 – ein bekannter Aikidomeister), beinhalten Formen (Techniken) des Aikido in sich. Am Anfang üben die Leute mit Holzschwert und Saya (Scheide); die Formen (Kata) werden einzeln geübt. Später kann man ein Iaito (unscharfes Metallübungsschwert) kaufen. Das Metallübungsschwert verleiht dem Schnitt eine gewisse „Schärfe“.
Ich unterrichte im Training auch Ken Tai Ken (Holzschwert gegen Holzschwert) bzw. Ken Tai Jo (Holzschwert gegen Stock). Wir tragen dazu keine Schutzkleidung, deswegen ist es sehr wichtig, die Kontrolle über diese Bewegung zu 100% zu behalten.
Aber das ist im eigentlichen Sinne kein Iaido, sondern eine gewisse Verbindung zwischen Aikido und Iaido. Iaido ist eigentlich für alle geeignet, vielleicht außer für Kinder, weil es einem sehr viel Aufmerksamkeit abverlangt, um es Verletzungen zu vermeiden.
Aikido verbindet auf eine wunderschöne Weise einen sportlichen mit einem philosophischen Ansatz. Stark geprägt ist dieser immer noch durch die Ideen des Begründers Ueshiba Morihei, der das Aikido-System im 20. Jahrhundert entwickelte. Damit kommt diese Sportart all jenen zugute, die sich körperlich und spirituell fordern und fördern möchten. Durch die meist weichen Bewegungen kann Aikido außerdem bis ins hohe Alter ausgeübt werden und durchs Falltraining vermutlich auch so manchen Knochenbruch verhindern.
Das Aktuell im Blog von ProntoPro ist das Interview zu lesen, in dem ich von Aikido erzählen durfte. Danke für die Veröffentlichung!